26.10.2010

Hängt Ida an einem zu langen Ast?

Micht treibt noch immer der von Gingerich et al (2010) präsentierte „Ida“ Stammbaum um. Genauer gesagt, versuche ich genauer nachzuvollziehen, nach welchen Kriterien die Taxa für die Stammbaumrekonstruktion ausgewählt wurden.
Wie bereits in meinem ersten Post erwähnt, war es die Absicht der Autoren möglichst wenige Taxa in ihre Analyse zu implementieren. Die erste Frage die sich mir hier gestellt hat war: „Was wäre eigentlich am optimalsten für eine Stammbaumrekonstruktion? Viele oder wenige Taxa?

Alles was ich bislang zu diesem Thema an neuerer Literatur gefunden habe kommt eigentlich zu dem Ergebnis, dass es eher vorteilhaft ist eine recht große Anzahl an Taxa in seinen Stammbaum zu integrieren um das „Long-Branch-Attraction“ (LBA) Phänomen zu vermeiden. Lange Äste in Stammbäumen sind immer ein Zeichen für eine lange, von anderen Taxa unabhängige Entwicklung. „Long-Branch-Attraction“ bedeutet grob gesagt, dass sich einzelne Taxa bevorzugt an diese „lange Äste“ in Stammbäumen anlagern. Die, dieser Verwandtschaftsbeziehung allerdings zugrundeliegende Merkmalskonfiguration, beruhen allerdings sehr wahrscheinlich auf Homoplasien.


Wie beeinflusst nun die Anzahl der Taxa in einer Stammbaumrekonstruktion jetzt die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Phänomen auftritt? Nun das ist ganz einfach, je weniger Taxa ich habe, desto länger sind die einzelnen Äste. Wenn ich nun die Anzahl der Taxa erhöhe, so kann ich die einzelnen, langen Äste in viele, kürzere Äste aufspalten und somit die tatsächlichen Verwandtschaftsbeziehunen der Taxa untereinander viel besser auflösen.
LBA ist vor allem ein Problem in der Molekulargenetik, da man es dort häufig mit einer großen Anzahl, teilweise enorm schnell evolvierender Merkmale zu tun hat. Deshalb ist ein großteil der Literatur zu diesem Thema auch aus diesem Feld.


Aber wie schaut das alles bei morphologischen Merkmalen aus? Ich muss ehrlich sagen, dass ich bislang nicht sehr viel Literatur zu dem Thema gefunden habe, genauer gesagt habe ich nur eine kurze Passage zu dem Thema gefunden, die ich persönlich aber recht erhellend finde:


“ (...)is that fossil taxa have the potential to break up branches in deeper parts of the phylogenetic tree. (...)” Seiffert (2010, S. 4).


Fossile Taxa können also Äste tiefliegender Phylogenien aufbrechen. Da war doch was mit einem 45 mio. Jahre altem Primaten und einem Stammbaum mit nur einem fossilen Vertreter oder?
Ich hab mal den Stammbaum von Gingerich et al. (2010) etwas umgezeichnet und die längen der Äste in einen (sehr groben) Zeitmaßstab gesetzt:







Umgezeichneter Stammbaum von Gingerich et al. (2010). HINWEIS: Die Zeitpunkte wann sich die einzelnen Arten aufgespalten haben sind furchtbar grobe Schätzungen meinerseits und müssen nicht der Realität entsprechen. Hier geht es einzig und allein um eine Illustration.
Ida sitzt da auf einem ziemlich kurzen Ast nicht wahr? Oder anders gesagt, die anderen Äste sind alle ziemlich lang.

Das alles ist natürlich noch kein Beleg dafür, dass der Stammbaum von Gingerich et al. (2010) tatsächlich ein Resultat von LBA ist, doch könnte man das Untersuchen in dem man zu der ursprünglichen Datenmatrix gezielt weitere Taxa (*hust* Fossilien *hust*) hinzufügt um diese langen Äste aufzuspalten.

Also ganz ehrlich, je länger ich über dieses Thema nachdenke, desto mehr bekomme ich das Gefühl, dass dieser Stammbaum quatsch ist. Zwar machen Gingerich et al (2010) ein paar interessante Einwände zu den konkurrierenden Hypothesen aber auf der anderen Seite schreit deren Stammbaum förmlich nach „Wir haben unsere Taxa so gewählt, dass der Stammbaum unseren eigenen Erwartungen entspricht“. Ich frag mich im Moment auch, wie es dieser Stammbaum überhaupt in den Artikel geschafft hat.


Ich denke, ich werde in den nächsten Monaten noch ein paar Mal auf die ganze Geschichte zurückkommen und ich persönlich bin echt gespannt wie das alles weitergeht.


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Literatur


Gingerich, P., Franzen, J., Habersetzer, J., Hurum, J., & Smith, B. (2010). Darwinius masillae is a Haplorhine — Reply to Williams et al. (2010) Journal of Human Evolution DOI: 10.1016/j.jhevol.2010.07.013


HILLIS, D. (1998). Taxonomic Sampling, Phylogenetic Accuracy, and Investigator Bias Systematic Biology, 47 (1), 3-8 DOI: 10.1080/106351598260987


Seiffert, E. (2010). Form, function, adaptation, and phylogeny: Frederick Szalay and the study of the mammalian fossil record Journal of Human Evolution DOI: 10.1016/j.jhevol.2010.02.011

24.10.2010

Das Semester geht endlich wieder los

Irgendwie ist im Moment tote Hose an der Wissenschaftsfront, daher auch der Mangel an tatsächlich interessanten Beiträgen.

Wie dem auch sei, ab morgen beginnt wieder das Studium. Endlich! Warum ich mich so freue hat zwei Gründe:

1. Mir ist langweilig.
2. Es ist sehr wahrscheinlich mein letztes reguläres Semester.

Der zweite Punkt überrascht mich noch immer ein kleines bisschen. Ich studiere jetzt schon 5 Jahre lang Anthropologie und wenn man so mitten im Studium drin ist, hat man das Gefühl es hört nie auf. Ich musste im letzten Sommer einen Vortrag in einem Seminar halten und hab am Abend vorher zu meinem Bruder gesagt "das ist vermutlich mein letzter Vortrag als Student". Da habe ich zum ersten Mal realisiert, dass so ein Studium tatsächlich auch mal zu Ende gehen kann. Auf der anderen Seite sage ich aber auch: Ich bin bereit dafür.


Ich habe, vor allen in den letzten zwei Jahren, eine ganze Menge gelernt und mich mit sehr vielen Dingen auseinandergesetzt. Und mittlerweile habe ich das Gefühl, dass mir mein Studium bei vielen dieser Dinge einfach nicht mehr weiterhelfen kann. Es wird langsam Zeit, dass ich die Gelegenheit kriege mich selber mit bestimmten Fragen auseinandersetzen zu können. Und wenn alles gut geht (und meine Magisterarbeitsidee tatsächlich gut ist) werde ich bald die Gelegenheit dazu bekommen.


Bis dahin muss ich allerdings noch scheinfrei werden. Mir fehlen noch drei Stück, alle drei sind recht umfangreich und ich plane sie alle in diesem Semester zu machen. Wie und in welcher Reihenfolge weiß ich noch nicht so recht, aber ich da wird mir schon was einfallen.

Ich glaube so sehr wie auf dieses Semester, habe ich mich noch nie auf ein Semester gefreut und ich bin mir ziemlich sicher es wird eine Menge Spaß machen.

Bis demnächst, dann hoffentlich wieder mit etwas interessanterem.

03.10.2010

Ich schreibe wie Sigmund Freud...

... das sagt zumindest dieses nette Spiezeug was ich eben auf der Homepage der FAZ gefunden habe, wenn ich es mit einem meiner Blogposts hier füttere. Ich hab ja ein bisschen was von Freud gelesen und muss sagen, dass ich mir nicht sicher bin ob dieses Ergebnis FÜR die Lesbarkeit meiner Texte spricht.

Wobei, als ich einen etwas banaleren Text von mir dort reinkopiert habe, sagte mir das Programm, ich schriebe wie irgendeine Frauenromanautorin von der ich bislang noch nichts gehört habe.

Dann doch lieber Sigmund Freud.

P.S.: Dieser Text führte zu folgendem Ergebnis:



Rainald Goetz


Der Herr hat sich, laut Wikipedia, übrigens mal bei einem Lesewettbewerb mit einer Rasierklinge die Stirn aufgeschnitten.