17.08.2010

Australopithecus und der Gebrauch von Werkzeugen

Letzte Woche erschien in Nature ein Artikel von Shannon Mac Pherron und Kollegen. In diesem Artikel beschrieben die Autoren, dass sie in einer 3,5 Mio. Jahre alten Fundstelle in Äthiopien Tierknochen mit Schnittspuren gefunden haben. bei den Knochen handelte es sich um die Rippe eines „Kuhgroßen“ und um den Oberschenkel eines „Ziegengroßen“ Tieres.
Sollten diese Untersuchungen stimmen, so handelt es sich bei diesen Spuren um die ältesten Belege für den Gebrauch von Steinwerkzeugen. Zudem würde es sich um die ältesten Anzeichen für die Ausbeutung tierischer Nahrung handeln.


Es gibt allerdings ein paar Probleme bei diesem Artikel. Zum einen ist nicht bekannt, wie viele Knochen noch in der Grabung gefunden wurden. Außerdem ist „2“ keine wirklich große Stichprobe, vor allem wenn man nicht weiß wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass "natürliche" Schnittspuren, wie künstliche aussehen. Außerdem wurden keinerlei Werkzeuge in der Nähe gefunden. Dann hab ich persönlich noch ein Problem mit folgenden Satz:


„This specimen [Der Oberschenkelknochen -meine Anmerkung] does not have any notches of the type that are sometimes associated with hammerstone percussion on long bones(8–10), but this may be owing to post-depositional breakage of the edges that removed such notches” (MacPherron et al., 2010, S. 858)


Dem Oberschenkelknochen fehlt wohl ein Merkmal, was man häufiger an Langknochen findet, die aufgebrochen wurden um an das Knochenmark zu gelangen. Die Autoren äußern die Vermutung, dass dieses Merkmal durch Verwesungs- und Verwitterungsprozesse verloren gegangen ist. Der Punkt der mich an dieser Annahme stört ist der, dass wir es einfach nicht wissen und wahrscheinlich niemals wissen können, ob dieser Knochen nun auch noch diese Spuren hat bzw. hatte. Das bedeutet, dass man lieber mal davon ausgehen sollte, dass diese Spuren nicht vorhanden sind. Die, von den Autoren in dem Zitat oben erwähnten, Informationen haben in dem Sinne überhaupt keinen wirklichen Wert.
Dieser Satz verwundert mich umso mehr, da die anderen Spuren wohl recht eindeutig und sicher sind, in dem Sinne also überhaupt keine Not besteht solch unsichere Informationen mit in den Artikel zu nehmen.


Aber gut, lassen wir die Kritik mal Kritik sein und beschäftigen wir uns mit den Konsequenzen dieser Entdeckung.
Die so genannte „Expensive Tissue“ Hypothese geht davon aus, dass ein wichtiger Schritt hin zu der Entwicklung eines größeren Gehirns der war, dass der Verdauungstrakt verkleinert werden konnte. wie hinlänglich bekannt ist, ist ein großes Gehirn äußerst teuer im Unterhalt. Gleiches gilt für einen großen Verdauungstrakt, den man zum Beispiel braucht um pflanzliche Nahrung verdauen zu können. Wenn es jetzt also möglich wäre, statt schwer verdaulicher, pflanzlicher, auf leichter verdaulichere, tierische Kost „umzusteigen“, so könnte ohne „Energieverlust“ der Verdauungstrakt verkleinert werden. Auf diese Art und Weise könnten genügend Ressourcen frei werden damit, die richtigen Selektionsfaktoren vorausgesetzt, ein größeres Gehirn entstehen könnte. Diese Hypothese ist in keinster Weise bestätigt oder widerlegt worden, allerdings liefert sie eine gute physiologische Erklärung für den gesamten Prozess.


Nun gut, jetzt wird ja in aller Regel ein vergrößertes Gehirn mit dem auftauchen der Gattung Homo in Verbindung gebracht. Die hier geschilderten Funde fallen aber eindeutig in die Zeit von  Australopithecus afarensis. Das bedeutet, dass entweder der „Tradeoff“ vom großen Verdauungstrakt hin zum größeren Gehirn schon passiert ist, oder dass die Expensive Tissue Hypothese schlichtweg nicht zutrifft.
Das ganze wird noch verwirrender, wenn wir uns Australopithecus sediba ansehen. Diese Form wurde diesen April vorgestellt und weist ein Mosaik an Homo-ähnlichen Merkmalen (verkleinertes Gebiss) und Australopithecus-ähnlichen Merkmalen (kleines Gehirn) auf. Das verkleinerte Gebiss lässt auf eine Reduktion des Verdauungsapparates schließen, allerdings kam es zu keiner Vergrößerung des Hirnvolumens. Irgendwo komisch, wenn man bedenkt, dass die Australopithecinen plötzlich schon seit ca.1,5 Mio. Jahren Fleisch gegessen haben, oder etwa nicht?


Ich persönlich denke, man muss vorsichtig sein, aus einzelnen Funden generelle Schlüsse auf das Verhalten, die Kultur und die Ernährungsgewohnheiten ganzer Gattungen zu schließen. Vor allem, wenn wir noch keinen Dunst davon haben, wie die einzelnen Formen tatsächlich miteinander verwandt sind.
Angenommen, einige Australopithecinen haben tatsächlich tierische Überreste ausgebeutet und dabei auch Steinwerkzeuge benutzt. Wir wissen noch nicht, ob diese „Kultur“ auch an andere Gruppen weitergegeben wurde. Die unterschiedlichen "Schimpansenkulturen" in Afrika sind auch mehr oder weniger isoliert. Selbst wenn dort es kulturellen Austausch gibt, so geht dieser vermutlich äußerst langsam vonstatten, bedenkt man, dass diese Tiere über keinerlei Sprache verfügen um miteinander zu kommunizieren.


Ähnliches können wir auch bei den Australopithecinen vermuten. Aus diesem Grunde, sagt dieser einzelne Fund, auch wenn die Autoren mit ihren Annahmen Recht haben sollten, noch nichts wirkliches darüber aus, ob es schon vor 3,5 Mio. Jahren eine durchgehende Ausbeutung tierischer Nahrung, inklusive des Gebrauchs von Steinwerkzeugen bei Australopithecus afarensis gab. Dafür ist es schlichtweg noch zu früh. Werden jetzt allerdings noch an anderen Orten, die in die gleiche Zeit datieren, Hinweise auf Werkzeuggebrauch und das Ausbeutuen tierischer Nahrungsressourcen, dann kann diese Geschichte wirklich interessant werden.
Man sollte diese Sache deshalb auf jeden Fall mal im Auge behalten.


Literatur:


McPherron, S., Alemseged, Z., Marean, C., Wynn, J., Reed, D., Geraads, D., Bobe, R., & Béarat, H. (2010). Evidence for stone-tool-assisted consumption of animal tissues before 3.39 million years ago at Dikika, Ethiopia Nature, 466 (7308), 857-860 DOI: 10.1038/nature09248

Australopithecus afarensis used stone tools (John Hawks)

13.08.2010

Mal was neues

So nach langer Zeit des Schweigens mal wieder etwas neues von mir.
Um meinen Blog etwas allgemeinverständlicher und gleichzeitig etwas lesbarer zu gestalten, habe ich mich entschlossen ein paar Zusatzinformationen hier einzustellen.

Was ist neu? Was kommt noch?
Auf der Seite "Wie funktioniert Systematik" steht ein Text der versucht die allgemeinen Prinzipien der phylogenetischen Systematik zu beschreiben und näher darzustellen.

Des Weiteren habe ich mich entschlossen ein Glossar zu machen, in dem ich eine Liste von Fachbegriffen erkläre. Mir ist beim schreiben immer wieder aufgefallen, wie schwer es doch ist, einfache Texte zu schreiben ohne erstmal ewig lange Begriffserklärungen bringen zu müssen. Ich hoffe dieses Problem durch das Glossar etwas in den Griff zu kriegen. Momentan ist es noch recht kurz, aber ich habe vor es in den nächsten Wochen zu erweitern.

Außerdem werde ich noch zu folgenden Themen Überblicksseiten anlegen:

Usprung der Primaten und deren Verwandtschaft zu anderen Säugetieren
Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Primaten inklusive Beschreibung der größeren Gruppen
Verwandtschaftsverhältnisse und Evolution der Menschenaffen
Überblick über die frühsten, möglichen Hominidenformen.

Diese Seiten sollen helfen einen allgemeineren Überblick über die jeweiligen Themengebiete zu bekommen. Man macht sich ja selten die Mühe in einem Blog auch mal ein paar Einleitungen in ein bestimmtes Thema zu geben. Dies will ich durch diese Seiten jedoch versuchen.

Ich hoffe durch diese Maßnahmen meine eigentlichen Blogposts etwas lesbarer gestalten und sie häufiger in einem bestimmten Kontext bringen zu können.
Ich freue mich über jede Form von Anmerkungen zu diesem Vorhaben, also wenn euch an den Seiten irgendetwas auffallen sollte, gebt bescheid.


UPDATE (20.08.2010): So, die Seite über die Primatenevolution ist fertig. Blöderweise ist die Leiste am oberen Ende der Seite zu schmal um alle Seiten abzubilden. Deshalb findet ihr die Überblicksseiten jetzt in der Leiste rechts unter "Weiterführende Informationen".